Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
hinsichtlich der Entwicklung des Investitionsrückstands der Stadt Erfurt und in Bezugnahme auf
die Drucksache 0276/21 wird um die Beantwortung der folgenden Fragen gebeten:
- In welchen Infrastrukturbereichen sieht die Stadt Erfurt aktuell insgesamt einen
Investitionsrückstand und wie hoch wird der Rückstand eingeschätzt? - Welche Möglichkeiten sieht die Stadt Erfurt, den Investitionsrückstand in den nächsten
fünf Jahren zu vermindern oder wird er nach Einschätzung der Stadt eher noch weiter
anwachsen? - Konnte die Stadt Erfurt den Investitionsrückstand durch konkrete Maßnahmen in den
vergangenen zwei Jahren verringern?
Ihre Anfrage beantworte ich wie folgt:
1. In welchen Infrastrukturbereichen sieht die Stadt Erfurt aktuell insgesamt einen Investitionsrückstand und wie hoch wird der Rückstand eingeschätzt?
Bezogen auf die verschiedenen Objektarten, welche seitens der Verwaltung betreut und unter
Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung der Baupreise kann der Investitionsrückstand wie
folgt aufgeschlüsselt werden.
- Schulen und Schulsporthallen 410 Mio. EUR
- Kindertageseinrichtungen 77 Mio. EUR
- Verwaltungsgebäude 66 Mio. EUR
- Bürgerhäuser 17 Mio. EUR
- Jugendhäuser 11 Mio. EUR
- Museen und kulturelle Einrichtungen 33 Mio. EUR
- Feuerwehren 11 Mio. EUR
- gesamt: rd. 625 Mio. EUR
Die in dieser Aufstellung dargestellten Rückstände beziehen sich auf dringend notwendige Unterhaltungsarbeiten sowie aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten bereits eingeplante Generalsanierungen und/oder Neubaumaßnahmen. Der Rückstand bei den Kindertageseinrichtungen bezieht sich auf kommunale Objekte sowie die an freie Träger vermieteten bzw. verpachteten Objekte, welche sich im Eigentum der Stadt befinden.
Nicht enthalten sind hier notwendige Ausgaben, welche zur Errichtung einer Zentralen Leitstelle
und der Fahrzeughalle zum Katastrophenschutz der Berufsfeuerwehr Erfurt am Standort Marbach geplant sind.
Für den Bereich der Verkehrsinfrastruktur wird ein Investitionsrückstand in Höhe von ca. 500
Mio. EUR ausgewiesen.
Dazu zählen alle baulich befestigten Verkehrsflächen, Brücken und weiteren Ingenieurbauwerke,
alle Anlagen des Verkehrsmanagements und der Verkehrsorganisation (Verkehrsrechner, LSA,
ÖPNV–Bevorrechtigung, Vorwegweisung, Beschilderung, Parkleitsystem, Parkscheinautomaten
etc.), die Straßenbeleuchtungsanlagen, die Anlagen des Straßenbaulastträgers zur Ableitung von
Oberflächenwasser (Regenwasserkanäle, Staubecken, Regenüberlaufbecken, Versickerungsanla-
gen etc.) und der Straßenbetriebshof.
Die Investitionsrückstände bei der Grünen Infrastruktur und Gewässerunterhaltung/ Hochwas-
serschutz teilen sich wie folgt auf:
- Grünflächen und Parkanlagen (Wegeflächen, Ausstattungen und bauliche Anlagen, wie Treppen, Stützmauern, Brunnenanlagen) 10 Mio. EUR
- Feld– und Wirtschaftswegenetz 5 Mio. EUR
- Öffentliche Spielplätze 5 Mio. EUR
- Ersatz– und Neupflanzungen der Bäume 8 Mio. EUR
- Bereich Hochwasserschutz und Sanierung baulicher Anlagen in Gewässern 2. Ordnung
6 Mio. EUR - gesamt rd. 34 Mio. EUR
Aufgrund länger anhaltender Trockenheit sind auch mehr Investitionen in Bewässerungssysteme
notwendig, die dem Erhalt der Grünbereiche dienen. Der finanzielle Bedarf kann derzeit jedoch
noch nicht konkret beziffert werden.
Für den Bereich des Amtes für Bildung werden folgende weiteren Investitionsbedarfe in den
Schulen angezeigt:
Um alle Unterrichts– und Verwaltungsräume in den Schulen auf einen neuen Stand zu bringen,
müssten ca. 5 Mio. EUR investiert werden. Bei den Fachunterrichtsräumen sind ca. 11 Mio. EUR
notwendig. Im Rahmen der räumlichen und sächlichen Ausstattung von Schulen liegen die Kosten für die
Neu– bzw. Ersatzausstattung eines Unterrichtsraums bei ca. 8.500 EUR und für die Ausstattung
eines Fachraumes müssen mittlerweile etwa 200.000 EUR veranschlagt werden.
Des Weiteren besteht bei den Erfurter Schulen in Bezug auf die IT–Ausstattung sowie der IT–
Infrastruktur, der Stromversorgung und der Präsentationstechnik ein Investitionsrückstand.
Ausgehend von der Kostenschätzung zur Umsetzung des DigitalPakts für die GS18/KGS und einer
Hochrechnung auf alle Schulen besteht hier ein Rückstau von ca. 18 Mio. EUR. Davon stehen 13
Mio. EUR über den DigitalPakt Teil I zur Verfügung.
Für den Bereich der Sportstätten wird auf die im Gremienumlauf befindliche DS 2321/21 zur
„Sportentwicklungsplanung Erfurt 2030“, welche sich detailliert mit dem Investitionsbedarf
auseinandersetzt, verwiesen.
2. Welche Möglichkeiten sieht die Stadt Erfurt, den Investitionsrückstand in den nächsten
fünf Jahren zu vermindern oder wird er nach Einschätzung der Stadt eher noch weiter
anwachsen?
Die Stadt erstellt für die verschiedenen Bereiche Bedarfsanalysen und Sanierungsprogramme
bzw. Prioritätenlisten für die Umsetzung von Investitionsmaßnahmen, um die zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Ressourcen zielgerichtet und möglichst effizient einzusetzen. Im Hinblick auf die dafür notwendigen Abstimmungen und Prozesse innerhalb der Verwaltung wird an einer Optimierung gearbeitet.
Der Abbau der Investitionsrückstände und somit der Erhalt der gesamten Infrastruktur, ist jedoch
nicht als kurzfristiges Ziel, sondern als dauerhafte Aufgabe zu sehen. Die Umsetzung der not-
wendigen Maßnahmen kann nur nach Maßgabe der Haushalte und der zur Verfügung stehenden
Haushaltsmittel erfolgen.
Unter den derzeitigen Voraussetzungen ist davon auszugehen, dass in den kommenden 5 Jahren
leider nicht genügend finanzielle Mittel, noch ausreichend Personal zur Verfügung steht, um den
Investitionsrückstand nachhaltig abbauen zu können.
Die Gewinnung von geeigneten Fachkräften zur Besetzung offener Stellen gestaltet sich zunehmend schwieriger.
Neben der eigenen personellen Situation in den bauausführenden Fachämtern stellen aber auch
die zum Teil knappen Ressourcen in der Baubranche ein Hindernis dar. Vor dem Hintergrund der
aktuellen Lage, wie lange Lieferzeiten, Lieferengpässe, Materialknappheit sowie der notwendigen Zeiträume zur Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen wird eine vollumfängliche Reduzierung des Investitionsrückstands in den nächsten fünf Jahren als nicht realistisch eingeschätzt.
Bei Berücksichtigung der gegenwärtigen Preissteigerungen in zahlreichen Gewerken sowie weiterer finanzieller Belastungen bedingt durch die geopolitische Situation ist auch davon auszugehen, dass sich die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel in den nächsten Jahren minimieren könnten.
Unter den gegebenen Bedingungen wird dennoch versucht, eine bestmögliche Abarbeitung der
jeweiligen Bedarfe mittels entsprechender Priorisierung und Konzentrierung der Ressourcen zu
realisieren. Der Investitionsrückstand kann daher nur bedingt in den kommenden 5 Jahren abgebaut werden.
Dies ist derzeit vor allem im Bereich der Schulsanierungen möglich, da die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel hier prioritär eingesetzt werden sollen. Für alle anderen Standorte gibt es entweder Sanierungsprogramme (Z.B. Kitas oder das Standortkonzept der Feuerwehren) oder Prioritätenlisten. Diese werden nach Wichtigkeit der Maßnahmen und Verfügbarkeit der Haushaltsmittel abgearbeitet.
3. Konnte die Stadt Erfurt den Investitionsrückstand durch konkrete Maßnahmen in den
vergangenen zwei Jahren verringern?
Die Anzahl der Objekte mit Investitionsrückstand konnte durch nachfolgend aufgezählte Maß-
nahmen verringert werden:
- energetische Sanierung der GS 30
- energetische Sanierung der GS 31
- Generalsanierung Ausweichobjekt Schulen Magdeburger Allee 216
- energetische Sanierung der GEM 2
- Generalsanierung Kita 39
- Flachdachsanierung ehem. Bibliothek – Tungerstraße
- baul. Maßnahmen Bürgerhaus Kerspleben
- baul. Maßnahmen FFW Hochheim
- Generalsanierung GS 01
- Generalsanierung SSH RS 07
- Generalsanierung SSH GS 03
- Gebäudesanierung Kita 55
- Generalsanierung Musikfabrik
- Erweiterung und Sanierung der GS 18
- Generalsanierung SBBS 6
- Neubau KfZ–Halle SBBS 7
- baul. Maßnahmen FFW Mittelhausen
- Erweiterung GEM 06
- Erweiterung GEM 7
- Generalsanierung GEM 3
Im Bereich des Infrastrukturvermögens beläuft sich die jährliche Abschreibung auf ca. 26 Mio.
EUR. Im Vergleich zu den jährlich getätigten Investitionen ist ersichtlich, dass der Rückstau in
den vergangenen zwei Jahren nicht verringert werden konnte. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass
die Stadt unter Beibehaltung ihrer bisherigen Investitionstätigkeit in die Verkehrsinfrastruktur
lediglich das bisherige Niveau halten kann. Eine Verbesserung ist diesbezüglich nicht zu erreichen.
Die aktuelle Auswertung ergibt, dass sich ca. die Hälfte des Straßennetzes in einem sehr guten
bis guten Zustand befindet. Die andere Hälfte des Infrastrukturvermögens ist als mangelhaft bis
sehr mangelhaft einzuschätzen. In einem befriedigenden Zustand befinden sich lediglich wenige Anlagen. Die Stadt kann auf Grund ihrer finanziellen Ausstattung seit Jahren keine systematische Straßenunterhaltung leisten. Die Infrastrukturanlagen werden regelmäßig bis zum völligen Verschleiß genutzt, um in der Folge grundhaft erneuert werden zu müssen.
Insgesamt betrachtet, konnte der Investitionsrückstand zum einen aufgrund fehlender finanzieller Mittel und zum anderen aufgrund fehlender personellen Ressourcen in allen Bereichen nicht verringert werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die aktuellen Preisanstiege auch zu einem Anstieg des notwendigen Investitionsbedarfs an städtischen Objekten und am Anlagevermögen führen werden.