Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
im Erfurter Norden befinden sich die Erfurter Seen. Dieses Gebiet könnte zumindest im Ansatz konsequent zu einem Naherholungszentrum der Landeshauptstadt ähnlich dem Naherholungsgebiet der Leipziger Seen entwickelt werden. Dies bedarf jedoch einer entsprechenden Planung und Freigabe durch die Landeshauptstadt und der umliegenden Gemeinden.
Es wird daher um Beantwortung der folgenden Fragen gebeten:
- Was sind die langfristigen Ziele der Landeshauptstadt Erfurt bezüglich der Entwicklung der Erfurter Seenlandschaft?
- Welche Maßnahmen hat die Landeshauptstadt rund um die Erfurter Seen vor, um dem Natur- und Umweltschutz in diesem Stadtgebiet mehr Priorität einzuräumen?
- Plant die Landeshauptstadt beispielsweise einen Wanderweg oder einen Naturlehrpfad rund um die Erfurter Seenlandschaft?
Antwort des Oberbürgermeisters
Sehr geehrter Herr Mühlmann,
Ihre Anfrage beantwlorte ich wie folgt:
1. Was sind die langfristigen Ziele der Landeshauptstadt Erfurt bezüglich der Entwicklung der Erfurter Seenlandschaft?
Die Entwicklung der Seenlandschaft kann nur regional betrachtet werden, da etwa die Hälfte der zukünftigen Wasserflächen außerhalb der heutigen Grenzen der Stadt Erfurt liegen wird. Entsprechend des im Jahr 1999 beschlossenen Regionalen Entwicklungskonzeptes „Erfurter Seen“ (REK) können die langfristigen Ziele folgendermaßen zusammengefasst werden:
Das Gebiet der Erfurter Seen mit den Erfurter Ortsteilen Stotternheim, Schwerborn und Sulzer Siedlung sowie den Gemeinden Nöda und Alperstedt des Landkreises Sömmerda ist ein noch junges Freizeitgebiet, das parallel zur Gewinnung der Kiessandvorräte noch Schritt für Schritt im Werden ist. Die Erfurter Seen sollen als Freizeitgebiet profiliert werden; die Freizeitnutzung soll ein wirtschaftliches Standbein werden und vorherrschende Folgenutzung des Kiesabbaus. Die Seen sind ein entscheidender Baustein im künftigen Naherholungs– und Freizeitangebot der Stadt Erfurt und des Landkreises Sömmerda und heben nicht nur den Freizeitwert und somit Lebensqualität, sondern auch die Standortqualität. Eine Verbesserung und Ausweitung des wasserbezogenen Freizeit- und Wasserportangebotes ist daher ein sehr wichtiges Ziel. Die Erfurter Seen können derzeit schon einiges bieten: Angeln, Tauchen, Surfen, Segeln und Baden. Defizite gibt es allerdings im Bereich der Infrastruktur (zum Beispiel Parkplätze, Toiletten). Ein großes Problem stellt das illegale Baden an den Baggerseen dar. An schönen Sommertagen tummeln sich tausende an den Seen, an deren Ufer bergrechtlich nicht nur das Baden, sondern generell das Betreten verboten ist. Dieses Problem lässt sich nur durch die Schaffung eines attraktiveren Angebotes gekoppelt mit Aufklärungs- und Informationsarbeit, Besucherlenkung und Ordnungsmaßnahmen erreichen und auch nur, wenn die Seen in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenspiel gesehen und behandelt werden.
Seite 2von 4Neben einem wasserbezogenen Sport-und Freizeitangebot soll das wasserunabhängige Angebot weiter ausgebaut und verbessert werden. Hierzu gehören zum Beispiel Spazier-und Wanderwege sowie Radwege zur Vernetzung der Seen und Orte untereinander und zur Anbindung des Stadtgebiets von Erfurt, insbesondere der Neubaugebiete im Norden der Stadt. Zudem sollen weitere Bereiche im Gebiet des REK unterstützt werden, wie zum Beispiel der Sport, das Reiten, das kulturelle und kulturhistorische Angebot, das Vereinsleben oder das Dorfbild.
Ziel ist weiterhin die Entwicklung eines Landschaftsparks mit abwechslungsreichen Ein- und Ausblicken, mit einer ästhetisch ansprechenden Landschaft, die optische und sinnliche Erlebnisse liefert. Es wird für die Seen eine ganzjährige Zugänglichkeit und Nutzbarkeit angestrebt. Dieser Landschaftspark kann nicht kurzfristig entstehen, er ist aber Leitidee für die Gestaltung der zukünftigen Folgelandschaft des Kiesabbaus und muss über die einzelnen bergrechtlichen Betriebspläne konkret realisiert werden. Die Belange des Landschafts-und Naturschutzes sollen dabei entsprechende Berücksichtigung finden, eine sinnvolle Folgenutzung der durch den Kiesabbau entstehenden Seen schließt die Belange des Naturschutzes mit ein. Insbesondere das empfindliche Ökosystem See bedarf eines besonderen Schutzes. Dies soll den Besuchern auch vermittelt werden.
Daneben ist eine verträgliche landwirtschaftliche Nutzung der ertragreichen Böden im Einklang mit der Freizeitnutzung und den Anforderungen des Naturschutzes ein wichtiger Belang, der für die weitere Entwicklung zu beachten ist.
Für den Tourismus gibt es aufgrund der Dominanz anderer Nutzungsformen, des beschränkt attraktiven Naturraums im weiteren Umfeld und der fehlenden speziellen Infrastruktur derzeit und in den nächsten Jahren nur an den wassersportorientierten Seen umfassendere Entwicklungsmöglichkeiten. Dort soll diese Chance genutzt werden und schrittweise zum Beispiel ein Campingangebot für wassersportorientierte Gästegruppen aufgebaut werden. Das Angebot „Ferien auf dem Reiterhof“ kann ein Nischensegment darstellen.
Nicht befriedigend gelöst ist die Parkplatzsituation für die vorhandenen und die zukünftigen Freizeitangebote. In der Erfurter Seenregion gibt es zwar ein gut ausgebautes Busnetz, der ÖPNV mussaber noch weiter attraktiviert werden. Der Bahnhof in Stotternheim und insbesondere das Bahnhofsumfeld müssen verbessert werden. Eine gute Zusammenarbeit zwischen der Landeshauptstadt Erfurt, ihren Ortsteilen und den Kommunen und dem Landkreis Sömmerda ist für die Lösung dieser Probleme unabdingbar. In den Dialog müssenaber auch die Verkehrsunternehmen, die freizeitbezogenen Vereine, die einheimische gewerbliche Wirtschaft und die Kiesunternehmen eingebunden werden.
Die räumliche Verortung der Zielstellungen des REK auf dem Erfurter Stadtgebiet kann auf einer Karte unter folgendem Link nachvollzogen werden:
https://www.erfurt.de/mam/ef/leben/stadtplanung/fnp/tk_3_10_4_rek_erfurter_seen.pdf
Im Rahmen dieser Zielstellungen konnten seit dem Jahr 2000 verschiedene Maßnahmen umge-setzt werden. Dazu gehören zum Beispiel Projekte im Radwegebau, die Beschilderung des Rad-wegenetzes, das Anlegen von Rast-und Informationsplätzen sowie von Grün und Gehölzflächen, die Umfeldgestaltung am Lutherstein, die Öffentlichkeitsarbeit, die Maßnahmen des geförderten Arbeitsmarktes oder der Ausbau des Strandbad Stotternheim.
20 Jahre nach Bestätigung des REK sollte dessen Evaluierung und Fortschreibung ins Auge gefasst werden. Das wird auch von den Gemeinden Nöda und Alperstedt befürwortet, die mit der Stadt Erfurt in der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft „Erfurter Seen“ zusammen arbeiten. Des Weiteren befindet sich zwischen Mittelhausen und Elxleben ein weiteres Kiesgewinnungsgebiet, die Ried-Seen. Deren Aufnahme in die Fortschreibung wäre aus regionaler Sicht sinnvoll. Der nördliche Teil der „Erfurter Seen“ – Pfaffenstiegsee (Abbau begonnen), Küchensee und Mossendorfer See (beide noch nicht im Abbau) – befindet sich in der Gemarkung Riethnordhausen. Die Gemeinden Elxleben und Riethnordhausen haben Interesse an einer Mitarbeit an der Fortschreibung bekundet.
Es muss allerdings beachtet werden, dass in absehbarer Zeit nur der Alperstedter See im Land-kreis Sömmerda aus dem Bergrecht entlassen wird. Die im Gebiet der Stadt Erfurt befindlichen Seen unterliegen bis auf den relativ kleinen Ebersee (12 ha) und dem westlichen Teil des Stot-ternheimer Sees (Strandbad) noch dem Bergrecht. An diesen Seen findet weiterhin Bergbau statt, selbst am Stotternheimer See wird noch eine Nachauskiesung durchgeführt. So lange Bergrecht gilt, ist eine öffentliche Nutzung weitgehend ausgeschlossen.
Dennoch ist eine Fortschreibung des REK zum jetzigen Zeitpunkt angezeigt, da ein großer Teil der Projekte realisiert wurde und sich einige Rahmenbedingungen geändert haben. Die im REK getroffenen Festlegungen für die einzelnen Seen können präzisiert werdenund in einen Gewässerentwicklungsplan einfließen – unter Beachtung der planfestgestellten Renaturierung und Nachnutzung. Betriebswege der Kieswerke können perspektivisch in das Freizeitwegenetz integriert werden. Dabei kann das Anlegen von Rundwegen und die direkte Führung von Radwegen an bestimmten Seeabschnitten einbezogen werden. Für Teilbereiche können mittels Landschaftsgestaltungsplanung Flächen zur Aufforstung (auch Ersatzmaßnahmen), Sukzession und Naturschutz, Freizeit-und Erholungsnutzung konkretisiert werden – unter Beachtung der Ansprüche der Landwirtschaft. In Machbarkeitsstudien sind die Grundstücksverfügbarkeit und die Wirtschaftlichkeit einzelner Projekte zu prüfen. Die Tragfähigkeit, infrastrukturellen Rahmenbedingungen und konkrete Verortung von öffentlichen und kommerziellen Einrichtungen für eine intensive Freizeit-und Naherholungsnutzung bzw. touristische Einrichtungen können bestimmt werden. Des Weiteren sind die im Integrierten Stadtentwicklungskonzept Erfurt 2030 für den betroffenen Teilraum herausgearbeiteten Entwicklungsvorstellungen im Zuge der REK-Fortschreibung zu beachten und zu untersetzen.
2. Welche Maßnahmen hat die Landeshauptstadt rund um die Erfurter Seen vor, um dem Natur-und Umweltschutz in diesem Stadtgebiet mehr Priorität einzuräumen?
Wie oben beschrieben stellt der Natur-und Umweltschutz einen Belang im Zielsystem des REK dar. Dementsprechend treten die Anforderungen des Natur-und Umweltschutzes insbesondere an den im REK als „Naturschutzsee“ ausgewiesenen Seen in den Vordergrund. Auf Erfurter Stadtgebiet ist dies der Sulzer See. Dessen renaturiertes Westufer ist mit seinen Buchten und Kleingewässern gut strukturiert und bietet einen Lebensraum für Tiere und Pflanzen der Uferzonen. Dieser Biotopkomplex wird sich in den nächsten Jahren auf natürliche Art und Weise weiter entwickeln. Im Südteil des Sees befindet sich eine aufgeforstete „Hochkippe“ und daran westlich anschließend eine Spülkippe, die durch die aus der Kieswäsche ausgeschwemmten feinen Bestandteile entstanden ist. Sehr anschaulich kann hier eine über vierzigjährige Sukzession vom Schilfgürtel bis zur Bewaldung (Auwald) verfolgt werden. Alsneues Element entstehen im Ostteil des Sees ein Seerandbecken mit zwei Inseln, Flachuferzonen und ein seebegleitender Grünzug. Der Süd- und Westteil des Sulzer Sees ist der weitmöglichst ungestörten naturschutzfachlichen Entwicklung vorbehalten. Am Ostufer hingegen bietet sich parallel zur Anlage eines Rad-und Wanderwegenetzes auch die Einrichtung eines Naturlehrpfades an. Dabei kann perspektivisch am Südufer auch eine Beobachtungshütte zur Erforschung der Vogelwelt am Sulzer See errichtet werden. Aber auch an den anderen Seen werden Natur-und Umweltschutzbelange angemessen beachtet. Hierfür ist jeweils das Verfahren zur Aufstellung der bergrechtlichen Betriebspläne das relevante Instrument, an dem die Natur-und Umweltschutzbehörden beteiligt sind. Hierin werden zum Beispiel jeweils konkret die Ausbildung von Uferlinien, Abbruchufern oder Flachwasserbereichen festgelegt, die Ausbildung der Uferrandbereiche, Wegeführungen im Umfeld eines Sees oder Maßnahmen zur Sicherung oder Unterstützung bestimmter Tier- und Pflanzenarten.
Neben den Seen hat das Gebiet noch eine Reihe weiterer naturschutzrelevanter Flächen aufzu-weisen. Der Niederungsbereich zwischen Stotternheim und Nöda hat einen hohen Anteil geschützter Biotope. Feucht-und Frischwiesenflächen, die zum Teil extensiv bewirtschaftet werden, sind von hoher faunistischer Bedeutung. Im westlichen Teil befinden sich das Flächen¬naturdenkmal „Salzwiese“ und der „Auwald Nöda“, ein Restbestand ehemals ausgedehnter naturnaher Feuchtwälder. Geschützte Biotope existieren auch an den Ortsrändern von Nöda (Streuobstwiese), Riethnordhausen (Halbtrockenrasen) und Stotternheim (Altabgrabungen, Streuobstwiese) sowie Feuchtwiesen am nordwestlichen Ortsrand. Vorrangflächen des Naturschutzes im näheren Umfeld des Seengebietes sind der auf Teilflächen als Naturschutzgebiet geschützte Schwanseer Forst, ein naturnahes und mit 250 ha das größte geschlossene Waldgebiet im Thüringer Becken; die Naturschutzgebiete Alperstedter Ried und Haßleber Ried, bei denen es sich um Feuchtgebietevon überregionaler Bedeutung für den Naturschutz handelt sowie die Wüstung Mossendorf, ein aufgeforstetes Feuchtgebiet nördlich des Seengebietes, welches auf Restflächen noch eine schützenswerte Feuchtwiesenvegetation aufweist. Diese und weitere Flächen werden durch den Aufgabenbereich der Naturschutzbehörden gesichert.
3. Plant die Landeshauptstadt beispielsweise einen Wanderweg oder einen Naturlehrpfad rund um die Erfurter Seenlandschaft?
Ziel ist die Schaffung eines umfangreichen und attraktiven Wegenetzes für Fußgänger und Radfahrer. Hierfür sind bereits verschiedene Bau-und Beschilderungsmaßnahmen im Radwegenetz „Erfurter Seen“ sowie den tangierenden Routen „Gera-Radweg“, „Laura-Radweg“ und „Radring Erfurt“ (in Umsetzung) durchgeführt worden. Naturlehrpfade können an einzelnen sinnvollen Bereichen umgesetzt werden. Bereits jetzt halten verschiedene Informationstafeln im Wegenetz der Erfurter Seen Inhalte zum Themenbereich Natur/Landschaft/Umwelt bereit.
Mit freundlichen Grüßen
A. Bausewein