Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
bereits seit dem 07.02.2021 hat die Stadt Erfurt mit hohem Schneeaufkommen zu kämpfen. Der extreme Schneefall war weit im Vorfeld angekündigt.
Die Stadt Erfurt ist gem. § 49 III und IV ThürStrG zur Räumung des Schnees von öffentlichen Gehwegen und Straßen verpflichtet. Dennoch sind weiterhin zahlreiche Straßen und Gehwege zugeschneit und können nicht oder nur kaum passiert werden. Es ist nicht zu übersehen, dass der Winterdienst der Stadt Erfurt und der EVAG mit der Situation stark überfordert ist und oftmals unzureichend ausgestattet war und/ oder unkoordiniert handelte. So wurde beispielsweise bis heute die Johannesstraße nicht vollständig, d.h. auch für die Straßenbahn nutzbar, geräumt und im Bereich Friedrich-Engels-Straße / Salzstraße der zuvor freigeräumte Gehweg durch das Winterdienstfahrzeug am nächsten Tag wieder zugeschüttet. Unabhängig der verschiedenen Dringlichkeitsstufen, in welche die Straßen der Stadt Erfurt und der umgebenden Ortsteile eingestuft sind, hätten nach dem bisherigen Zeitablauf weitaus mehr Straßen geräumt werden müssen. Eine optimale Vorbereitung hätte aufgrund der Ankündigung erfolgen können. Immerhin zahlen die Erfurter Steuerzahler den kommunalen Winterdienst und können dafür eine entsprechende Leistung erwarten.
Es wird daher um Beantwortung der folgenden Fragen gebeten:
- Wie viel Personal und wie viele Winterdienstfahrzeuge stehen der Stadt und der EVAG zur Ausführung des Winterdienstes zur Verfügung und wie viele davon sind tatsächlich im Einsatz?
- Wurden durch die Stadt private Unternehmen und die Bundeswehr angefragt, um ihrer Pflicht aus § 49 III und IV ThürStrG ordnungsgemäß nachkommen und eine umfassende Räumung in der Stadt sowie in den Ortsteilen gewährleisten zu können, wenn ja, wann und an wen gingen die Anfragen konkret und wenn nein, warum nicht?
- Welche Erfordernisse und Möglichkeiten sieht die Stadt, den Winterdienst in der Stadt Erfurt sowie in den Ortsteilen ab dem Winter 2021/2022 weiter auszubauen?
Mit freundlichen Grüßen
Sascha Schlösser
Antwort der Stadtverwaltung
Sehr geehrter Herr Schlösser,
Entsprechend den Vorschriften des Thüringer Straßengesetzes wird den Gemeinden die Pflicht auferlegt, die öffentlichen Straßen nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit von Schnee zu räumen und bei Schnee- und Eisglätte zu streuen, soweit das zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. Die Möglichkeiten der Stadt werden immer begrenzt sein, in einer solch besonderen Witterungslage überall und gleichzeitig zu agieren. Die Stadt hat im Rahmen ihrer Möglichkeit gehandelt. Das Verständnis und die Bereitschaft der Bevölkerung, sich auf solche Wettersituationen einzustellen, bildet dazu aber die wesentliche Voraussetzung, um mit den Wetterunbilden zurechtzukommen.
Dies vorausgeschickt beantworte ich Ihre Anfragenwie folgt:
1. Wie viel Personal und wie viele Winterdienstfahrzeuge stehen der Stadt und der EVAG zur Ausführung des Winterdienstes zur Verfügung und wie viele davon sind tatsächlich im Einsatz?
Die SWEStadtwirtschaft GmbH hat für den Winterdienst im Stadtgebiet Erfurt 25 Einsatzfahrzeuge für den Fahrbahnwinterdienst zur Verfügung. Dazu zählen u.a. 2 Einsatzfahrzeuge von Subunternehmern, 2 reine Sole-Sprüher (welche bei den niedrigen Temperaturen nicht zum Einsatz kommen konnten) und 1 Schlepper mit Schneefräse. Für Gehwege, DIII-Steigungen und Nebennetz werden nochmal 12 kleinere Räumfahrzeuge (< 7,5t) vorgehalten.
Die SWE Stadtwirtschaft GmbH verfügt über insgesamt 62 Mitarbeiter in der Wintersaison. Diese sind in einem Schichtplan mit Früh- und Spätschicht (auch an Wochenenden) für Winterdienstaufgaben disponiert. Zusätzlich können über einen Rufbereitschaftsplan an dienstfreien Tagen weitere Mitarbeiter eingesetzt werden. Für den Fahrbahnwinterdienst stehen vertraglich gebundene Subunternehmer mit weiteren 12 Mitarbeitern zur Verfügung.
Am 07.02.2021 waren seit 03:00 Uhr 17 Räumfahrzeuge im Stadtgebiet unterwegs und insgesamt waren 57 Mitarbeiter für Winterdienstaufgaben eingesetzt. In den Nachtstunden vom 07.02.2021 22:00 Uhr bis zum Schichtbeginn um 03:00 Uhr am 08.02.2021 waren 4 Winterdienstfahrzeuge ununterbrochen im Einsatz. Am 08.02.2021 waren seit 03:00 Uhr 19 Räumfahrzeuge im Stadtgebiet unterwegs. Insgesamt waren 59 Mitarbeiter für Winterdienstaufgaben eingesetzt.
Für den Winterdienst auf Gehwegen werden durch einen Subunternehmer ca. 30 Mitarbeiter vorgehalten. Seitens der Firma, die als Subunternehmer für den Gehwegwinterdienst der SWE Stadtwirtschaft GmbH grundsätzlich zur Verfügung stehen sollte, wurde noch keine Übersicht zum Personal- und Technikeinsatz beim konkreten Winterdienstereignis übermittelt.
Im Straßenbetriebshof des Tiefbau- und Verkehrsamtes standen zwischen 7 und 16 Kollegen zur Verfügung (fehlender Personalbestand zwischen 30 und 40 Prozent). Es kamen im Straßenbetriebshof bis zu 5 Transporter sowie bedingt durch die erheblichen Schneemassen 1 Radlader und 1 Bagger zum Einsatz. Zusätzlich wurde Fremdtechnik (3 LKW, 1 Radlader) zum Schneeabtransport angemietet.
Im Garten- und Friedhofsamt kamen 9 Multifunktionsfahrzeuge (Multicar/Boki-Mobil mit Winterdienstausrüstung) sowie 2 Fahrzeuge (Unimog und Transporter mit Schiebeschild) zum Einsatz. Darüber hinaus wurden das Team der BUGA-Gärtner unter Hinzuziehung des eigenen Radladers sowie der Bereich Landschaftsbau mit Radlader und LKW als auch der gesamte Bereich der Baumpflege mit seiner Technik (LKW, Transporter) in den Winterdienst einbezogen. Zusätzlich wurde Technik angemietet (2 Radlader und 1Bobcat mit Schiebeschild). Die entsprechenden Fahrzeuge konnten mit eigenem Personal besetzt werden. Es waren ca. 65 Personen im Winterdiensteinsatz.
Der im Zuständigkeitsbereich des Garten- und Friedhofsamt befindliche Gehwegwinterdienst wurde komplett an 3 Firmen vergeben, sodass überall Unterstützungsleistungen an den Stellen erfolgte, wo Dringlichkeiten und Erschwernisse angezeigt und prioritär die Gehwege bedient wurden. Der EVAG stehen ca. 50 Mitarbeiter für den unmittelbaren Winterdienst zur Verfügung, die seit Sonntag, dem 07.02.2021, im Dreischichtsystem zum Einsatz gekommen sind. Im Weiteren verfügt die EVAG über 3 Straßenbahnschneepflüge und 3 Winterdienstfahrzeuge. Zusätzlich waren vertragsgemäß von Fremdfirmen 45 Mitarbeiter mit 18 Radladern/Baggern und 15 LKW im Einsatz.
2. Wurden durch die Stadt private Unternehmen und die Bundeswehr angefragt, um ihrer Pflicht aus § 49 III und IV ThürStrG ordnungsgemäß nachkommen und eine umfassende Räumung in der Stadt sowie in den Ortsteilen gewährleisten zu können, wenn ja, wann und an wen gingen die Anfragen konkret und wenn nein, warum nicht?
Beim Technischen Hilfswerk wurde durch das Tiefbau- und Verkehrsamt im Namen und Auftrag der Landeshauptstadt Erfurt ein Amtshilfeersuchen zur technischen und personellen Unterstützung im Rahmen des Winterdienstes gestellt. Seit dem 09.02.2021 waren die Kollegen des THW zur Sicherung im Einsatz.
Zudem hat am 08.02.2021 gegen 8:30 Uhr der Beigeordnete für Finanzen, Wirtschaft und Digitlisierung in Vertretung des Oberbürgermeisters telefonisch bei der Bundeswehr um Hilfe gebeten. Diese Hilfe wurde leider abgelehnt, da dem Bundeswehrkomando in Erfurt keine Ressourcen zur Verfügung stehen um die benötigte Hilfe zu leisten.
Darüber hinaus wurden sechs private Unternehmen im Rahmen der Durchführung des Winterdienstes insbesondere mit Leistungen zum Schneeabtransport beauftragt.
3. Welche Erfordernisse und Möglichkeiten sieht die Stadt, den Winterdienst in der Stadt Erfurt sowie in den Ortsteilen ab dem Winter 2021/2022 weiter auszubauen?
Unter der Maßgabe, dass die zu erwartenden Kostensteigerungen für die Winterperioden 2021/2022 bis 2023/2024 allein schon aufgrund der allgemeinen Teuerungsraten aus Löhnen, Maschinen, Geräten sowie Verbrauchsstoffen einen deutlichen Mehrbedarf (bei gleichbleibendem Leistungsumfang) im Haushalt ausmachen werden, ist gegenwärtig eine Erweiterung des Leistungsumfangs schwer vorstellbar und kann lediglich bei Vorliegen der gesetzlichen Vorgaben erfolgen.
Im Rahmen der Auswertung zum Winterdienst muss über die vorhandene technische Ausstattung, aber vor allem über die Nachauftragnehmervergabe für den Gehwegwinterdienst von SWE Stadtwirtschaft GmbH und Stadtverwaltung nachgedacht werden.
Abschließend bleibt zu konstatieren, dass sich die Erwartungshaltung der Bevölkerung vor allem in den Nebennetzstraßen am Maximum des Möglichen orientiert. Das ist jedoch gesetzlich nicht gefordert. Jede Kommune muss für sich entscheiden, wie viel Winterdienst leistbar und erforderlich ist und welche Investitionen in Kitas, Schulen und Straßen danach noch möglich sind.
Mit freundlichen Grüßen
A. Bausewein