Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
bezüglich des Erfurter Frauenhauses wird um Beantwortung der folgenden Fragen gebeten:
- Wie viele Frauen mit deutscher Staatsbürgerschaft und wie viele Migrantinnen und Geflüchtete, aufgeteilt nach Nationalität, befinden sich derzeit, Stand Dezember 2020, im Erfurter Frauenhaus?
- Welche Angebote an Migrantinnen und Geflüchtete werden durch das Erfurter Frauenhaus sowie weiteren städtischen Stellen hinsichtlich der Aufklärung der Rechte von Frauen in Deutschland und respektvollem Umgang in Partnerschaften und Ehen unterbreitet und auf welche Art und Weise wird auf die Angebote aufmerksam gemacht?
- Mit welcher Resonanz und welchem Erfolg, falls bekannt, werden die vorhandenen Angebote genutzt?
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Möller, Corinna Herold
Antwort der Stadtverwaltung
1. Wie viele Frauen mit deutscher Staatsbürgerschaft und wie viele Migrantinnen und Geflüchtete, aufgeteilt nach Nationalität, befinden sich derzeit, Stand Dezember 2020, im Erfurter Frauenhaus?
Zum 01.12.2020 leben elf Frauen und neun Kinder im Frauenhaus Erfurt (acht Frauen /sechs Kinder mit Migrationserfahrungen; drei Frauen und drei Kinder ohne Migrationshintergrund). Die Frauen mit Migrationserfahrungen sind serbischer, türkischer, spanischer, eritreischer, russischer und syrischer Nationalität.
2. Welche Angebote an Migrantinnen und Geflüchtete werden durch das Erfurter Frauenhaus sowie weiteren städtischen Stellen hinsichtlich der Aufklärung der Rechte von Frauen in Deutschland und respektvollem Umgang in Partnerschaften und Ehen unterbreitet und auf welche Art und Weise wird auf die Angebote aufmerksam gemacht?
Frauen mit Migrationshintergrund erfahren im Erfurter Frauenhaus/Frauenberatungsstelle grundsätzlich das gleiche Angebot wie Frauen ohne Migrationserfahrung, denn von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder werden unabhängig vom religiösen und kulturellen Hintergrund, der ethnischen Herkunft, des finanziellen und sozialen Status unterstützt.
Im psychosozialen Beratungs- und Begleitprozess im Frauenhaus geht es um:
- Auseinandersetzung mit der erlebten Gewalt-Entwicklung und Aufbau von Selbstwirksamkeit, Selbstständigkeit (Selbststärkung)
- Unterstützung bei der Alltagsbewältigung
- Existenzsicherung-Beratung zu polizeilichen und zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten
- Klärung Wohnperspektive-Information zu rechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich Trennung und Scheidung, Umgangs- und Sorgerecht, Gewaltschutz sowie Vermittlung und Begleitung zu Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälten
- Anbindung an das lokale Hilfesystem und Behörden, einschließlich der Begleitung zu Jobcenter, Jugendamt, weiterführenden Beratungsstellen etc.
- Hilfe bei der Integration in das neue soziale Umfeld-Einschätzung weiterer Unterstützungsbedarfe und ggf. Weitervermittlung
Bei den Frauen mit Migrationserfahrungen, insbesondere bei Frauen, die aus patriarchal gepräg-ten Kulturkreisen stammen, nimmt die Aufklärung über die geltenden Menschenrechte, Rechte von Frauen und die damit verbundene Stärkung von Selbstwirksamkeit einen großen Stellenwert im psychosozialen Beratungsprozess ein, wird mit diesem direkt verbunden.
Aufgrund des sozialisierten und kulturell geprägten Selbstbildes von Frau-Sein, ist das Selbstverständnis und die Selbstwahrnehmung von Frau-Sein (im Sinne von Rechten) oft gänzlich anders bei Migrantinnen geprägt worden.
Innerhalb des frauenparteilichen Unterstützungsprozesses finden daher auch integrationsfördernde pädagogische Interventionen Anwendung. Die Beratung im Frauenhaus findet bei Bedarf mit Hilfe von unmittelbar zur Verfügung stehender Video-Dolmetschung statt. Das Angebot Frauenhaus/Frauenberatung in Erfurt ist digital präsent, verfügt über eine eigene Homepage, auch über www.erfurt.de, dem offiziellen Stadtportal, erreichbar. Weiterhin gibt es eine lang gewachsene und enge Kooperation in Form von Netzwerkarbeit mit Beratungsstellen, Behörden, Bildungseinrichtungen etc., die um das Angebot des Frauenhauses wissen und somit betroffene Frauen durch andere soziale Dienste auf das Angebot hinweisen oder von diesen an das Frauenhaus vermittelt werden.
Öffentlichkeitswirksame Aktionen machen ergänzend eben-falls auf das Angebot aufmerksam, einschließlich entsprechendes Print-Informationsmaterial „Ihre Rechte als Frau in Deutschland“ sowie diverse Flyer, die regelmäßig im Stadtgebiet verteilt werden. Städtische Einrichtungen haben seit 2016 Zugriff auf die Willkommensbroschüre „Ihre Rechte als Frau in Deutschland“, um diese gezielt für Beratungszwecke einzusetzen, in die Auslagen zu integrieren oder weiterzureichen. In jeder Gemeinschaftsunterkunft existiert ein Gewaltschutzkonzept. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Gemeinschaftsunterkünften geben Orientierungshilfe bei Fragen des täglichen Lebens und Zusammenlebens. In den Einzelfallberatungen erfolgen nicht nur Informationen über Rechte und Pflichten, sondern auch gezielte Hinweise um das deutsche Rechts- und Bildungssystem sowie die Gesundheitsversorgung. In der Einzelfallhilfe der Integrationsberatung sind die Betreuung und Begleitung bei Behördengängen mit Informationen zu Grundrechten und Pflichten verbunden.
3. Mit welcher Resonanz und welchem Erfolg, falls bekannt, werden die vorhandenen Angebote genutzt?
Die Auslastung des Frauenhauses spricht für die Resonanz und Notwendigkeit des Frauenhauses. Als Erfolg würde ich das nicht bezeichnen.
Mit freundlichen Grüßen
A. Bausewein